Wie kann man bei diesen Kosten überhaupt noch bauen?
Jeder, der sich die Entwicklung der Zahlen in der Bauwirtschaft anschaut, stellt sich diese Frage. Nicht nur die Baupreise steigen immer schneller und in immer größeren Sprüngen, sondern auch die Baunebenkosten und sogar die Zinsen kehren wieder zurück. Am Beginn meiner Arbeit haben wir gut ausgestattete Einfamilienhäuser für rund 350.000, - € realisiert. Aktuell würden dieselben Häuser vermutlich zwischen 500.000 und 600.000, - € kosten. Das entsprich einer Preissteigerung für das Gesamtpaket Haus von über 50% in den letzten 15 Jahren. „Wie soll ich mir das leisten können?“ – werden Sie sich fragen. Auf diese und ein paar andere Fragen in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen in dem Folgenden Artikel vier verschiedene Reaktionen als Antworten liefern.
Die erste, spontane Reaktion auf das Problem:
„Dann lasse ich es eben bleiben!“ oder „Abwarten und Tee trinken…“ Beides irgendwie unbefriedigende Ansätze. In diesem Fall müssen Sie nicht weiter lesen…
Die zweite Reaktion: Eigenleistung
„Dann packe ich eben selbst mehr mit an!“ Eigenleistungen: Das sind die Leistungen bei der Erstellung des Gebäudes, die sie auch selbst besorgen können. Was das im Einzelnen sein könnte, hängt stark von Ihren handwerklichen Fähigkeiten ab und noch stärker von der Zeit, die Sie persönlich erübrigen können. Bei einem Einfamilienhaus sind das in der Regel 5 bis maximal 10% der Kosten, die Sie dadurch kompensieren können. Bei Gewerbeobjekten könnten das auch Leistungen sein, die Sie im eigenen Betrieb erbringen oder die Sie über Ihr Netzwerk günstiger beziehen. Eine gute Möglichkeit die Kostensituation etwas zu entschärfen, aber kein „Gamechanger“, wie man neudeutsch vielleicht sagen würde.
„Cut out the middleman“
Die Eigenleistung ist im Grunde nur ein Spezialfall dessen, was der Angelsachse „cut out the middleman“ nennt, denn alles was Sie selbst besorgen, müssen Sie im Zweifel auch selbst einbauen. Der Grundsatz: Je direkter ich etwas erwerbe – im Idealfall direkt beim Erzeuger – desto weniger Leute verdienen zusätzlich zu den Grundkosten (Rohstoffe, Herstellung) etwas an einem Produkt. Das ist eine alte Binsenweisheit der Ökonomie. Man sollte also nach Möglichkeit Dinge kaufen, die nicht schon durch zehn Hände gegangen sind. Das auch dieser Ansatz seine Grenzen hat – sofern Sie nicht eine eigene Baufirma betreiben – liegt auf der Hand.
Die dritte Reaktion: Es muss sich grundsätzlich etwas ändern:
Da „jede Veränderung der Welt mit uns selbst beginnt“, müssen wir vielleicht unsere Sicht auf die Dinge – Neudeutsch unser „mind-set“ – verändern. Dazu ein paar Ansätze:
Maximale Reduktion oder „Weniger ist mehr“
In den vergangenen 20 Jahren ist der Wohnflächenverbrauch pro Kopf von 34,9m² 1991 auf 47,4m² im Jahr 2020 gestiegen. Das entspricht einer Steigerung von ca. 36%. Die Frage ist: Bemisst sich denn die Qualität einer Wohnung tatsächlich allein nach Quadratmetern? Ist mehr Fläche auch gleich mehr „Wohnen“? Das darf man sicher bezweifeln. Aber umgekehrt gilt: je mehr Fläche, desto mehr umbauter Raum, desto höher die Baukosten. Wenn es mir also gelingt die gleichen Wohnfunktionen auf einer geringeren Fläche zu realisieren, dann muss ich am Ende weniger dafür investieren. Dafür gibt es in anderen Ländern, vor allem in Japan, bereits zahllose erstaunliche Beispiele.
In meinem Blog habe ich bereits einige Publikationen dazu besprochen:
Je komplizierter etwas gedacht und ausgeführt ist, desto mehr kostet es in der Ausführung und desto anfälliger ist es für Störungen im Betrieb. Das heißt auf den Bau bezogen, komplexe Konstruktionen sind anfälliger für Schäden. Umgekehrt gibt es in der Architektur scheinbar minimalistische Tendenzen, die unter der Oberfläche – hinter den Kulissen – zu wahnsinnigem Aufwand führen. Etwas sieht ganz einfach aus, ist es aber nicht. Davor sollte man sich hüten, wenn man Kosten sparen will. Dieses Prinzip betrifft die ganze bauliche Struktur: einfache Kubatur, einfache Raumgliederung, einfache Raumfolgen, einfache Funktionen einfache Konstruktion und einfache Details.
Weniger Technik
Es ist eine erstaunliche Tatsache, dass die Kosten für den technischen Ausbau von Gebäuden im letzten Jahrzehnt doppelt so stark gestiegen sind, wie die allgemeinen Baukosten und hier reden wir schon von 20-30%. Es ist also klar: je stärker wir in der Lage sind auf teure Haustechnik zu verzichten, desto günstiger wird der Bau. Ein weiterer Faktor spielt hier eine Rolle: die Wartung. Je weniger Technik, desto geringer die Unterhaltskosten für ein Gebäude. Wenn man bedenkt, dass die Unterhaltskosten gerechnet auf die Lebenszeit eines Gebäudes ca. 80% der Kosten ausmachen, dann sollte man ins Grübeln kommen. Kostet ein Einfamilienhaus, sagen wir 500.000, -€, dann sind das auf die Lebensdauer dieses Hauses – vielleicht hundert Jahre – noch einmal 2 Millionen Euro.
Dazu eine interessante Publikation von Florian Nagler, Architekt in München, in meinem Blog:
Damit sind vor allem die eigenen Ansprüche gemeint. Was brauche ich den wirklich? Was wünsche ich mir vielleicht, weiß aber genau, dass ich es später gar nicht konsequent nutzen werde? Was sind Vorstellungen, die vielleicht von außen an mich herangetragen werden? Was sind Funktionen des Gebäudes oder Gimmicks, die man halt so hat, die bei näherer Betrachtung aber gar keinen Sinn ergeben? Brauche ich denn wirklich 20m² Ankleide, oder bin ich nur zu faul zum Ausmisten? Wie oft werde ich den Dampfgarer in der Küche wirklich benutzen? Smart Home? Will ich im Urlaub tatsächlich die Jalousien hoch und runter fahren können? Bergen vernetzte Systeme vielleicht sogar mehr Risiken, als sie wirklich nutzen? Was ist mit dem Pool im Garten? Was ist mit der Sauna? Wie oft benutze ich diese tatsächlich? Oder mit dem riesigen Keller? Werde ich den Fitnessbereich konsequent bespielen oder tut es auch ein Abbo? Ist der Speicher unter dem Dach tatsächlich sinnvoll? Oder sammelt sich hier nur 20 Jahre lang alles, was eigentlich auf den Mist gehört? Doppelgarage + Carport? Wenn man einmal im Leben ein Haus baut, ist es natürlich, dass man alles perfekt haben will. Aber was bedeutet das wirklich? Das hängt sehr von der individuellen Lebenssituation des Einzelnen ab und diese Dinge muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Tatsache ist, dass im konsequenten Setzen von Prioritäten – also in der Antwort auf die Frage was will und brauche ich denn tatsächlich für mein Leben – die Möglichkeit liegt viel Unnötiges beiseitezulassen, was einem (finanzielle) Spielräume eröffnet, das wenige, das man priorisiert, richtig zu machen.
Plane nicht zu weit voraus
Was heißt das? Vielfach soll ein Gebäude funktional alle möglichen Eventualitäten abdecken. Ein Einfamilienhaus soll dem Leben einer Familie mit zwei kleinen Kindern gerecht werden und gleichzeitig schon Vorkehrungen für eine altersgerechtes Wohnen bieten. Das ist Unsinn. Am Ende wird das Haus keiner der beiden Aufgaben gerecht werden. Wer von uns weiß, was in 20 Jahren sein wird, wie die Anforderungen an unser Leben sein werden, wie unsere Lebenssituation tatsächlich sein wird, wie unser Job aussehen wird usw.? Die ehrliche Antwort: Niemand weiß das! Wie soll man also konkret für eine Zukunft planen, die man gar nicht kennt?
Erweiterbarkeit
Damit meine ich die seit Jahrtausenden geübte Praxis, ein Gebäude als Prozess zu verstehen. Wenn sich ein neuer Bedarf einstellt, wird der Bestand einfach erweitert, um diesem neuen Bedarf gerecht zu werden. Das setzt allerdings voraus, dass ein Gebäude überhaupt erweiterbar ist. Der Baukörper muss Raum für eine unbestimmte Zukunft lassen, sei es in seiner Struktur oder sei es in seinem Umfeld auf dem Grundstück, also im baulichen Kontext. Dieser Punkt hängt mit der vorgenannten Aufforderung eng zusammen, nicht zu weit vorauszudenken. Kein Gebäude kann alle möglichen Eventualitäten abdecken, wohl aber können Bauwerke Spielräume für zukünftige Entwicklungen lassen. Eben das meine ich, wenn ich fordere, das Gebäude als einen „Prozess“ zu verstehen, als eine Folge von verschiedenen Entwicklungsschritten, eine permanente Anpassung an die sich ändernden Wirklichkeiten des eigenen Lebens.
Zuviel gewollt ist nichts gewollt
Dieser Spruch fass vielleicht die vorangegangenen Einsichten am besten zusammen. Immer dann, wenn wir eine Sache mit Anforderungen überfrachten, dann beginnen sich diese gegenseitig auszuschließen und man ist mehr damit beschäftigt, Widersprüchliches unter einen Hut zu bekommen, als dass man sich auf den Kern der eigenen Bedürfnisse konzentriert.
Die vierte Reaktion: Was sind eigentlich die baulichen Grundverhältnisse?
Das A-zu-V-Verhältnis
Was ist damit gemeint? A-zu-V-Verhältnis bezeichnet das Verhältnis der Außenfläche A (Wände, Dach, Bodenplatte) zum Umbauten Volumen V. Man kann sagen, je komplexer und komplizierter die äußere Gestalt eines Gebäudes, desto mehr Fläche braucht es, um dasselbe Volumen zu umschließen. Man spricht dann von einem schlechten A-zu-V-Verhältnis. Warum schlecht? Weil über die Gebäudehülle im Winter Energie austritt. Je größer die Hüllfläche, desto größer der Energieverlust. Das ist aber nicht alles. Da die konstruktiven Anforderungen durch Wind, Wetter, Regen, Sonne usw. an die Gebäudehülle höher sind als an andere Bauteile, sind alle Bauteile, die den Innenraum von der Außenwelt abtrennen auch die mit Abstand teuersten Teile des Gebäudes. Kurz gesagt, je mehr Hülle ich produziere, desto mehr kostet ein Bauwerk in der Errichtung und im Unterhalt. Andersherum gewendet: je kompakter ein Gebäude, desto geringer seine Kosten. Das optimale Verhältnis von Fläche zu Volumen hat die Kugel. Darauf folgen die regelmäßigen Polyeder, von denen der Würfel die baulich einfachste Konstruktion ist.
Fußabdruck
Damit ist der Flächenverbrauch eines Gebäudes gemeint, bzw. das Verhältnis von seiner Grundfläche und seinem Gebäudevolumen zur Grundstücksfläche. Grund und Boden sind endliche Güter und werden daher, wie der Rest der Bauwerke, tendenziell immer teurer. Besonders in unseren Breiten wird sich diese Tendenz auf absehbare Zeiten auch nicht mehr umkehren. Je mehr Fläche ein Gebäude also verbraucht, desto mehr Grundstück muss dafür erworben werden, bzw. kann nicht anderweitig bebaut oder genutzt werden, oder im Zweifel auch wieder verkauft werden. Bei verbauter Fläche handelt es sich also um verlorenes oder zumindest gebundenes Kapital. Der Flächenverbrauch hängt darüber hinaus direkt mit dem A-zu-V-Verhältnis zusammen, also mit den Baukosten.
Kollektivierung: MFH statt EFH
Die Kollektivierung ist ein möglicher Ansatz, um Kosten zu sparen bzw. um verschiedene Kosten auf mehrere Geldbeutel zu verteilen. Gemeint sind z. B. Bauherrengemeinschaften. Statt dem Einfamilienhaus auf der grünen Wiese wird mit einer Gruppe von Gleichgesinnten ein Mehrfamilienhaus realisiert. Dadurch verteilen sich Kosten für Erschließung, Haustechnik und Gebäudehülle auf mehrere Parteien und reduzieren sich dadurch erheblich für den Einzelnen. Der Unterschied zur Eigentumswohnung im Geschosswohnungsbau besteht darin, dass man von vorneherein gemeinsam plant. Das heißt jeder Eigentümer ist von Anfang an in die Planung eingebunden und kann seine Wohnung im Rahmen des Möglichen individualisieren. Sind die Wohneinheiten darüber hinaus vertikal organisiert und nicht horizontal, wie im klassischen Geschosswohnungsbau, dann kann jede dieser Einheiten durchaus den Charakter eines „Einfamilienhauses“ erhalten.
Auch dafür gibt es vor allem in Japan gelungen Beispiele, siehe meinen Blogeintrag:
Dieser Faktor könnte nach den jüngsten Ereignissen wieder stärker an Bedeutung gewinnen. Für den Augenblick scheint die Globalisierung ihre maximale Ausdehnung erreicht zu haben. Mangelnde Verfügbarkeit und Transportkosten werden sich negativ bei den Gesamtkosten importierter Baustoffe bemerkbar machen. Hinzu kommt die Endlichkeit fossiler Grundstoffe. Die Preise petrochemischer Erzeugnisse – Dämmstoffe etwa – gehen nur in eine Richtung, nach oben. Das wird zwangsläufig zu einer Rückbesinnung auf lokal verfügbare und nachwachsende Rohstoffe am Bau führen. Im Augenblick wird das die Baukosten eher nicht senken. Auf lange Sicht könnte sich die Verwendung natürlicher Baustoffe dagegen bei den Unterhalts- bzw. den Reparaturkosten positiv auszahlen.
Ergebnis:
Es ist leicht einzusehen, dass jeder der vorgeschlagenen Ansätze zur Kostenreduktion für sich genommen keinen durchschlagenden Erfolg haben wird. Es handelt sich bei den vorgestellten Ansätzen vielmehr um verschiedene Stellschrauben, die nur im Zusammenspiel eine deutliche Einsparung erbringen werden. Grundlage dafür sind eine saubere Bedarfsanalyse, die Bereitschaft liebgewonnene Gewohnheiten zu hinterfragen, eine gewisse architektonische Aufgeschlossenheit – wenn man so will – eine Vereinfachung bzw. Radikalisierung von Konstruktion und Kubatur.